Mini- Blutsauger auf der Haut

 ZURÜCK        

 

Alte Medizin neu entdeckt: Das Comeback der Blutegeltherapie

Er hat fünf Augenpaare, drei Kiefer, ca. 80 feine Kalkzähnchen und ernährt sich von Blut. Eine Beschreibung wie aus einem Horrorfilm! Dennoch: In der Volksmedizin hatte der Blutegel immer schon einen guten Ruf. Und: Auch die moderne Wissenschaft attestiert ihm eine heilende Wirkung. Grund genug für mich, mir die „Eckelwürmer“ einmal näher anzusehen.
Wie kleine Delphine. Dr. Petra Maria Orina Zizenbacher, Allgemeinmedizinerin in Wien Liesing, spezialisiert auf Naturheilverfahren, hat ihre an die 10 Blutegeln in einem großen Glas mit Wasser untergebracht. „Es sind sehr sensible Wesen. Sie lieben kühle, dunkle Räume und frisches Wasser“, erzählt sie mir beinahe liebevoll. Ich finde die zur Familie der Ringelwürmer gehörenden Tierchen - anders als vorab befürchtet - auch nicht ekelig und abstoßend. Sie schwimmen wie kleine Delphine im Wasser. Am Glasrand bewegen sie sich mit ihren beiden Saugnäpfen fort.
Demi Moore hat’s ausprobiert. Bis in die 1980er, 90er Jahre hatte die Blutegeltherapie einen fixen Stellenwert als Behandlungsform. Jede Spitalsabteilung hatte einen Vorrat an Egeln ständig auf Lager, ebenso jede Apotheke. „Ein Apotheker zeigte mir einmal sein Bestellbuch, da fanden sich monatlich über 300 Anfragen nach Blutegeln, das war in den 60iger Jahren“, schildert Dr. Zizenbacher. „Heute ist es manchmal gar nicht so einfach an diese Tiere zu kommen. Insbesondere seit den Schlagzeilen, dass Demi Moore sich in Kitzbühl Blutegeln ansetzen ließ, sind sie vergriffen bzw. massiv im Preis gestiegen.“
82jährige verstorben. Abgesehen von dieser Positiv- gab es in diesem Jahr allerdings auch Negativschlagzeilen. Eine 82jährige Niederösterreicherin verstarb zwei Tage nach der Behandlung mit Blutegeln an einem Herzversagen. „Es war dies kein Einzelfall“, bestätigt Naturmedizinerin Zizenbacher. „Eigentlich sollte uns die Blutegeltherapie nichts anhaben, weil sie in der Traditionellen Europäischen Medizin über hunderte von Jahren praktiziert wurde. Menschen von heute haben aber, aufgrund der oft ungesunden Lebensweise bzw. der Einnahme von Medikamenten eine schlechtere Abwehrreaktion. Werden nun - ohne irgendwelche Vorbereitungsmaßnahmen - zehn oder mehr Egeln angesetzt, kann der Körper des Patienten überfordert sein und das Blutgerinnungssystem zusammenbrechen.“
Dr. Zizenbacher bestellt ihre Patienten in der Regel bereits ein bis zwei Wochen vor Therapiebeginn zu sich; und bespricht nach einer eingehenden Untersuchung eventuell notwendige Maßnahmen mit ihnen, z.B. in punkto Hautpflege und Ernährungsumstellung. „Außerdem gilt für mich die Devise: weniger ist mehr“, so die engagierte Medizinerin. „Ich verwende nie mehr als 10 Tiere, bei größeren sechs und weniger. Die Behandlung verläuft dann in der Regel völlig unkompliziert und ohne Nebenwirkungen.“

Egelchen beißt zu… Mir setzt Dr. Zizenbacher – zum Testen - nur einen einzelnen Blutegel am Knie an. „Es blutet hier die Wunde am wenigsten nach und Sie können das Tierchen gut beobachten“, argumentiert sie. Das kleine Wesen schlängelt sich ein paar Minuten auf meinem Bein, bevor es die richtige Stelle gefunden hat, um zuzubeißen. Es stützt sich dafür mit seinem hinteren Saugnapf auf der Haut ab. Der Biss mit den Kalkzähnchen verursacht keinen Schmerz, ist aber als Stechen und Brennen deutlich spürbar. Dass in der Folge, während des Saugens, praktisch gar nichts mehr zu spüren ist, erklären Wissenschaftler damit, dass der Egel aus winzigen Drüsen zwischen den Zähnen ein schmerzlinderndes Sekret ausschüttet.
Das Tier produziert zudem den Wirkstoff Hiroduin. Das Hiroduin wird beim Biss in die Wunde gebracht, damit der Egel das Blut einsaugen kann, erklärt Dr. Zizenbacher. D.h.:
1. Der Egel spritzt ein Blutverdünnungsmittel in die Wunde.
2. Der Egel säuft Blut aus der Wunde (ca. 5 ml).
Auf diese Weise kann der Biss eines Egels:
a) Stagnation aufheben und
b) die Durchblutung fördern.
Forscher vermuten darüber hinaus im Speichel der Tiere bis zu 40 Inhaltsstoffe, die gefäßerweiternd, gerinnungs- und entzündungshemmend, entkrampfend und schmerzlindernd wirken.

… und säuft sich satt. Ich finde es durchaus spannend, dem Tier beim Saugen zuzusehen. Die Bissstelle färbt sich leicht rot. Der Egel wird durch die Blutnahrung sichtlich kräftiger. Nach ca. einer halben Stunde löst sich der hintere Saugnapf von meiner Haut. Ein Zeichen dafür, dass der Egel satt ist! Dr. Zizenbacher löst auch den vorderen Saugnapf mit den Kiefern los - es ist kaum ein Widerstand zu spüren - und gibt den Egel in ein kleines Gefäß mit Wasser.
Mein Knie wird verbunden. Die Bissstelle kann noch über mehrere Stunden nachbluten – Dr. Zizenbacher packt Verbandsmaterial für mich ein. Auch den Egel darf ich nach Hause mitnehmen, denn er soll – wenn er einmal bei einem Patienten gesüffelt hat - nicht mehr bei jemand anderem therapeutisch eingesetzt werden.
Haustier „Franzi“. Am nächsten Tag habe ich noch einen Kontrolltermin in der Naturheilpraxis. Dr. Zizenbacher ist zufrieden: Die Bissstelle ist zwar gerötet, aber nicht geschwollen. Trotzdem setzt sie mir prophylaktisch Schröpfköpfe entlang der Lymphbahnen an, um die Lymphgefäße zu entstauen. Damit wäre das „Abenteuer Blutegel“ vorerst abgeschlossen für mich, wenn da – halt! – nicht unser neues Haustier wäre. Meine Kinder nennen es „Franzi-Vampir“. Füttern müssen wir den Egel in nächster Zeit nicht. Erst etwa ein halbes Jahr nach seiner Blutmahlzeit wird er wieder Appetit bekommen. Dann könnte ich ihn mir theoretisch noch einmal ansetzen lassen; oder ihm ein Stück blutiges Steak anbieten.

 

FAQ Blutegel-Therapie

 

Wann wird sie empfohlen?
· bei Durchblutungsstörungen in den Beinen
· bei Geschwüren an den Beinen
· bei Rückenschmerzen
· bei Regelschmerzen
· bei schlecht heilenden Wunden
· bei Krampfadern

 

Worauf ist vor der Behandlung zu achten?
· Sagen Sie unbedingt vor der Behandlung, wenn Sie blutverdünnende Mittel nehmen, z.B. Aspirin oder Macumar. Durch diese Mittel wird die Wirkung des Egels verstärkt.
· Zwei Tage vor der Therapie keine Körperlotion oder Duschbad verwenden, die Egel mögen auch keine Parfums – sie verweigern den Biss.
· Besorgen Sie einige Päckchen Verbandsmull und elastische Binden zum Wechseln der Verbände.
· Nehmen Sie sich am Tag der Behandlung frei.
· Verzichten Sie eine Woche vor und nach der Behandlung auf tierisches Eiweiß (Wurst, Fleisch, Käse) und Fisch.

 

Wie oft wird die Therapie durchgeführt?
Je nach Beschwerdebild: einmalig oder alle 2-3 Monate.

 

Hat die Behandlung Nebenwirkungen?
· Die Behandlung ist für Menschen jeden Alters geeignet. Allerdings müssen die Bissstellen bis zu drei Tagen verbunden bleiben, d.h. täglich den Verband wechseln, bis die Stellen nicht mehr bluten. Kontrolle am Tag nach der Behandlung in der Praxis.
· Die Bissstellen können einige Wochen sichtbar bleiben – verheilen aber dann.
· Die Umgebung um die Bissstelle kann nach der Therapie anschwellen, das ist eine Heilungsreaktion.
· Es kann im Rahmen der Blutegelbehandlung auch zu Juckreiz, Schwellung und im Extremfall zu einer allergischen Reaktion kommen.

 

Mit welchen Kosten ist zu rechnen?
Erstuntersuchung ca. € 170, 1 Blutegel ca. € 9- € 25.-

 

Wie finde ich einen Arzt in meinem näheren Umkreis?
Erkundigen Sie sich bei Ihrer Landesärztekammer. Auf der Homepage der Österreichischen Ärztekammer finden Sie die entsprechenden Links: www.aek.or.at
www.zizenbacher.at