Zeit des Knospens

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Zum schreiben dieses Artikels habe ich mich in das große Klassenzimmer des Schöpfers zurückgezogen. Auf einer Wiese, von Sonne beschienen und von Vogelgezwitscher erbaut, habe ich mich unter einem fünfarmigen Nussbaum niedergelassen um folgenden Zeilen festzuhalten.
Die Natur ist unser allerbester Lehrmeister. Handeln wir nach den ewigen Gesetzten, dann werden wir immer gesund an Leib und Seele sein. Schleicht sich Krankheit in unseren Körper ein, Depression oder Orientierungslosigkeit, können wir davon ausgehen, dass wir es verabsäumt haben uns mit den ewigen Gesetzen abzugleichen. Auf der ganzen Erde geht zu bestimmten Zeitpunkten die Sonne auf und unter, an genau festgelegten Zeiten zeigen sich Gestirne am Himmel. Die Fluten der Meere wissen wie sie sich im Rhythmus der Gezeiten heben und senken müssen, jeder Nussbaum weiß wann er Knospen darf, jedes Tier, jeder Vogel, jeder Fisch kennt seine Bestimmung.
Viele Fische ziehen in verschiedensten Tiefen vom Meer in süße Gewässer. Sie kommen, zum Ablaichen und um ihre Existenz aufzugeben, in ihre Geburtsgewässer. Vögel ziehen entlang festgelegter Routen um den halben Erdball. Auch der Mensch unterliegt diesen ewigen Rhythmen.
In Zeiten, in denen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen verbringen, sind wir von den ewig pulsenden Zeichen abgeschnitten und leben in einer Kunstwelt. Sobald ein Baum oder Strauch seine Früchte abgeworfen hat bildet sich an den Astspitzen ein neues Gebilde, die Knospe. Die Knospe beinhaltet alles, vom Blatt, über die Blüte, über die Frucht. Das heißt vom Zeitpunkt der Ernte an, ist von Natur aus schon alles für die nächste Ernte vorbereitet.
Damit die Früchte reifen können, egal um welche es sich handelt, ist ein bestimmter Zeitraum weise erdacht. Manche Pflanzen, wie zum Beispiel Zitrusfrüchte, können blühen und Früchte tragen gleichzeitig. Aber die meisten Pflanzen, speziell im kontinentalen Bereich haben eine Zeit des Blühens, des Frucht Ansetzens, des Reifens, der Reife, des Rückzugs. Die Zeit des Knospens ist so gesehen die längste Epoche, nämlich vom Herbst bis zum Frühjahr, also ein halbes Jahr. In manchen Fällen (zum Beispiel bei alten Birn- und Apfelsorten) dauert die Zeit des Knospens sogar zwei bis vier Jahre. Genannte Sorten bringen nur alle paar Jahre Früchte. So lange dauert es, bis sich die Blüte und dann später eben die Frucht zeigt. Die Frucht braucht bis zur Reife einen relativ kurzen Zeitraum, je nach Frucht, zum Beispiel die Kirsche, zwei bis sechs Monate (Quitte).
Das heißt, die Frucht ist eigentlich nur ganz kurz sichtbar und nur einen kurzen Moment reif, auf das ganze Jahr betrachtet. Die Zeit des Vorbereitens nämlich des Knospens hingegen dauert ein halbes Jahr oder länger.
Diese Metapher des Knospens beschäftigt mich seit einiger Zeit und ich möchte von diesem Bild ausgehend zu verschiedensten Lebensbereichen unseres Alltags Querverbindungen herstellen.
Vor kurzer Zeit hatte ich ein langes Gespräch mit einem Freund, der sich sein ganzes Leben mit Kunst auseinandersetzt. Er ist selber ein großartiger Maler und hat diese Kunst auch lange Zeit hauptberuflich unterrichtet. Immer wieder beklagt er, dass heutzutage keine Zeit für Entwicklung besteht. Es muss alles sofort fertig sein. Es wird ein fertiger Rahmen, und eine fertig grundierte Zeichenunterlage besorgt und schon geht’s los. Die alten Meister hingegen verbrachten viele Stunden ihrer Lebenszeit mit Skizzen und Beobachtungen. Sie verbrachten viel Zeit damit, ihre Farben selbst zu mischen. Eitempera herzustellen, ist ein ziemlich aufwändiges Unterfangen. Heute wird vorwiegend mit Acryl gearbeitet. Es dauerte einfach eine gewisse Zeit, ein Bild in Öl zu malen. Von der Grundierung bis zum Schlussfirnis nahm sich ein Maler ausreichend Zeit.
Wenn man ein Musikinstrument herstellt, ich nehme als Beispiel eine Geige, benötigt es umfangreiches Wissen. Welches Holz ist für das Instrument geschaffen? Zu welchem Zeitpunkt soll das Holz geschlägert und geschnitten werden? Wie lange muss es ablagern? Erst wenn diese Fragen geklärt und erledigt sind, beginnen die vielen Arbeitsschritte zum Bauen des Klangkörpers, Anrühren der Lasur, Zeiten des Trocknens, Zeiten des Wartens. Dann werden die Saiten aufgezogen... Nun ist das Instrument bereit, sich Klänge entlocken zu lassen. Es dauerte eine bestimmte Zeit des Knospens bis es so weit war, dass der Klang der Geige unser Herz berühren und die Sphären verzaubern konnte.
Im medizinischen Bereich bin ich immer wieder damit konfrontiert, dass die Zeit des Knospens umgangen wird. Ganz krass sieht man diese Entwicklung in der Geburtshilfe. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Kaiserschnittquote vervielfacht, so dass heute fast ein drittel aller Geburten, in Südamerika sogar schon fast die Hälfte, aller Kinder per Schnitt entbunden werden. Weder die Eltern noch die Ärzte finden etwas dabei, sondern ganz im Gegenteil, man empfindet es als große Errungenschaft, dass durch den Kaiserschnitt der Liebeskanal nicht verletzt werden kann und rund um die Geburt die Termine von Vater und Mutter berücksichtigt werden können. So kann das Kind „ohne Risiko“ auf die Welt kommen.
Niemand überlegt sich, dass gerade der Geburtsprozess mit den gesamten, seit Ewigkeiten bestehenden Rhythmen eng verwoben und abgestimmt ist. Bevor eine Schwangerschaft eintreten kann, wird der Körper der Frau durch einen speziellen Hormoncoktail auf den Eisprung vorbereitet. Beim Mann sind bis zur Reifung der Spermien ebenso viele Faktoren (Geruch der Partnerin, Sehnsucht nach Fortpflanzung, Inspiration durch die Partnerin) verantwortlich. Die gesamte Schwangerschaft, von der Zeugung bis zur Geburt ist einem ausgeklügelten System unterworfen. Wahrscheinlich ist das gesamte Universum, alle Gestirne, der ganze Planet in den Prozess des Werdens mit einbezogen. In dem wunderbaren Moment, in dem ein göttliches Geschöpf das Licht der Welt erblickt will die gesamte Schöpfung jubeln.
Wenn wir die Situation der heutigen Frau beachten, muss man mit Erschrecken feststellen, dass Frauen oft ab dem 12. Lebensjahr, bis eigentlich zum letzten Atemzug mit Hormonpräparaten versorgt sind. Angeblich um sie zu unterstützen, damit sie keine Akne bekommen, keine Regelschmerzen haben, keine Menopausalschmerzen und damit auch keine Wallungen. Dann wird, so sich ein zeugungsfähiger Partner findet, die künstliche Uhr angehalten, wenn es nicht sofort zur Empfängnis kommt, wird wieder mit verschiedensten Methoden geholfen und dann soll ein vollkommener Mensch das Licht der Welt erblicken??
Wenn man über diese Fakten nur ein bisschen nachdenkt, wird man zur Erkenntnis gelangen, dass hier gewaltig viel schief läuft und dass es den Menschen, die außerhalb des natürlichen Rhythmus des Knospens und Werdens erzeugt wurden auf viele Informationen verzichten mussten, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sieht. Die Tatsache, dass Kinder heutzutage verhaltensauffällig, gewalttätig, übergewichtig, krank, eigentlich fast nicht mehr fähig sind, erwachsen zu werden, bestätigt eigentlich nur, dass hier einiges nicht stimmt.
Es ist höchste Zeit dass wir Frauen uns wieder der ursprünglichen Rhythmen besinnen und uns Zeit nehmen, die Zeit des Knospens zu erfassen und in unser Leben integrieren.
Wenn wir die Lebensmittel betrachten mit denen wir unseren Bauch füllen, dann wurde auch hier der Prozess des Knospens sehr oft drastisch eingeschränkt. Kaum ein Ei das wir heutzutage verspeisen wurde von einer Henne gelegt, die in einem natürlichen Umfeld leben durfte. Ist uns eigentlich bewusst, dass fast alle Hähne sofort nach dem Schlüpfen eliminiert werden, weil nur die Hennen Ertrag bringen? Dieses künstliche Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Individuen hat natürlich auf das gesamten morphogenetische Feld eine unerhörte Auswirkung von der wir noch gar nicht wissen welche Fakten da beeinflusst werden können. Wenn wir nun Individuen essen, nämlich Eier und das Fleisch von Hühnern, die nur unter künstlichen Umständen und mit Kunstfutter gefüttert wurden, dann kann man sich vorstellen dass das auf unseren Organismus eine wesentliche Auswirkung hat. Genauso ist es mit verschiedensten Pflanzen, die nie Tageslicht erblicken durften, die nie den herrlichen Duft es Frühling aufnehmen durften, die es nie gespürt haben wie sich auf ihren Blättern Morgentau oder Regen anfühlt, die nie das Morgenlicht und den Mondschein auf ihren Blättern spiegeln durften, die nie Kontakt zu den Einflüssen der Planeten hatten. Welchen Wert sollen diese, unter solch absurden Bedingungen gewachsenen Pflanzen, für unsere Ernährung haben? Man weiß, dass die Wurzelhärchen aus der Erde kostbare Informationen, die für unseren Organismus notwendig sind aufsaugen , dies funktioniert nur wenn natürliche Rahmenbedingungen gegeben sind. Ein grossteil der Menschen, die in den sogenannten entwickelten Ländern leben, ernähren sich fast ihr ganzes Leben lang von Nahrungsmitteln die nie die Zeit des Reifens und des Knospens erleben durften. Man kann sich vorstellen dass die Auswirkungen auf das Individuum irgendwann einmal, wahrscheinlich sehr bald, sichtbar sein werden. Was das für Auswirkungen auf unsere gesamte Gesellschaft haben wird, wenn schon bald die zweite und dritte Generation von so ernährten Menschen heranreift, das werden wir sehr bald sehen.
Wir sind damit jetzt schon konfrontiert: Gewaltbereitschaft, Krankheitsanfälligkeit sind nur eine Auswirkung.
Knospen sind etwas unglaublich Elementares. In einer Knospe ist die Information für eine gesamte weitere vollkommene Pflanze gelegt und wenn wir ein Stück Knospe von einem Nussbaum, oder einer Kirsche oder einem Flieder oder von einer Hasel oder auch von einem Wildrosenstrauch kauen, dann ist es unglaublich was für Geschmackserlebnisse durch unseren Gaumen entdeckt werden können und unser ganzer Körper jubiliert ob der Hochwertigkeit des dargebotenen Leckerbissens.
In diesem Sinne wünsche ich ihnen für das kommende Jahr das Allerbeste und ich wünsche ihnen das sie vielleicht die eine oder andere Pflanze bei ihrem Knospungs-, Blüh- und reifungswunder begleiten können und vielleicht entdecken sie für sich mehr Zeit zum Knospen brauchen.